Parteizugehörigkeiten

Am 6. Januar 1947 wurde Ludwig Wolff wegen seiner „anti-nationalsozialistischen Haltung“ [1] von der Marburger Spruchkammer als entlastet eingestuft. Durch seinen freiwilligen Austritt aus der SA-Reserve habe Wolff – ungeachtet des allgemeinen Drucks – Widerstand gegen das NS-Regime geleistet, obwohl er damit seine Karriere und seine „ganze zukünftige Existenz auf das Spiel [ge]setzt“ [2] habe. Seine Haltung sieht die Spruchkammer auch durch die Versicherung von Zeugen bestätigt, dass Wolff stets nur mit der jeweiligen Tageszeit gegrüßt habe und als Kind von einer halbjüdischen Erzieherin betreut worden sei. [3]

Trotz der Feststellung der Marburger Spruchkammer, dass Wolff jede Politik fernliege, lassen sich bereits vor 1933 Mitgliedschaften in verschiedenen politischen Vereinigungen nachweisen. [4] So war Wolff seit der Gründung 1918 Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei sowie des ‚studentischen Bunds zur Hebung des nationalen Gedankens‘, der 1923 in den Hochschulring von deutscher Art/Gesellschaft übergegangen ist. [5] Darüber hinaus war er seit 1925 Mitglied im Stahlhelm (Bund der Frontsoldaten) sowie der ‚Gesellschaft deutscher Staat‘, die später in den Reichsverband deutscher Hochschullehrer integriert wurde. [6] Der Stahlhelm wurde 1933 in die SA-Reserve eingegliedert, der Wolff bis November 1934 angehörte.

Im Zuge der Neubesetzung des Lehrstuhls für Deutsche Philologie an der Universität Marburg wird Wolff in verschiedenen Gutachten als „kernig, national und zukunftsfroh“ [7] sowie als „guter Patriot, der stets seinen Patriotismus kundgetan hat“, [8] bezeichnet. Die Hochschulgruppe Göttingen des NS-Dozentenbunds beispielsweise beschreibt ihn als guten Kamerad, der allerdings kein Parteigenosse sei, da er im November 1934 als dienstuntauglich aus der SA-Reserve entlassen worden war. [9] Entgegen der Darstellung der Marburger Spruchkammer wird Wolffs Ausscheiden aus der SA-Reserve. auch von der Philosophischen Fakultät der Universität Marburg mit seiner körperlichen Behinderung gerechtfertigt, die Wolff in seinem Personalbogen im Jahre 1957 wie folgt beschriebt: „35 % Körperbeschädigt. Art der Beschädigung: Versteifung d. r. Hüftgelenks und Verkürzung des Beins um 6 cm.“ [10][11] Nach seiner Entlassung aus der SA-Reserve war Wolff nach eigenen Angaben zudem Mitglied in der NS-Wohlfahrt (1934-1945), dem Volksbund für das Deutschtum im Ausland (1925-1945) und dem Reichskolonialbund (1939-1945). [12]

Am 1. November 1947 wird der Spruch der Marburger Spruchkammer vom Hessischen Staatsministerium aufgehoben und eine erneute Prüfung vor der Spruchkammer in Wiesbaden angeordnet, da im Falle Ludwig Wolffs kein „aktiver Widerstand nach dem Mass seiner Kräfte und dadurch hervorgerufene Nachteile“ [13] vorliege. Das Urteil der Marburger Spruchkammer wird allerdings am 7. Februar 1948 in Wiesbaden erneut bestätigt und wieder mit Wolffs freiwilligem Austritt aus der SA-Reserve begründet. Die Begründung ist in weiten Teilen wörtlich aus dem Spruch der Marburger Spruchkammer übernommen und schlussfolgert, dass Wolff zwar „vom Gesetz betroffen – aber nicht belastet“ [14] sei. [15]

 

Kerstin Kümmerlin

 


[1] Marburg, Universitätsarchiv [UAMar], Best. 307a Nr. 3739: Spruch der Spruchkammer Marburg vom 6.1.1947: Aktenzeichen: Mst 1162/46.

[2] Ebd.

[3] Vgl. ebd.

[4] Vgl. ebd.

[5] Vgl. UAMar, Best. 310 Nr. 6511a, Bl. 1.

[6] Vgl. Holger Wagemann,  [Art.] Wolff, Ludwig. In: Internationales Germanistenlexikon 1800-1950. Hrsg. v. Christoph König. Band 3. Berlin 2003, S. 2062.

[7] UAMar, Best 305a Nr. 4449: Philosophische Fakultät der Uni Marburg an den Herrn Reichs- und Preußischen Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung am 13. Juni 1936.

[8] UAMar, Best 305a Nr. 4449: Rektor der Universität Göttingen an den Rektor der Universität Marburg am 18. Mai 1936.

[9] Vgl. UAMar, 305a Nr. 4449: Hochschulgruppe Göttingen des NS.D. Dozentenbundes an den Herrn Rektor der Universität Marburg am 15.5.36.

[10] UAMar, Best 305a Nr. 4449: Philosophische Fakultät der Uni Marburg an den Herrn Reichs- und Preußischen Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung am 13. Juni 1936.

[11] Vgl. UAMar, Best. 310 Nr. 6511b: Personalbogen Ludwig Wolffs 3. Juli 1957.

[12] Vgl. UAMar, Best. 310 Nr. 6511b: Meldebogen auf Grund des Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus am 23.7.1948.

[13] UAMar, Best. 307a Nr. 3739: Hessisches Staatsministerium, der Minister für politische Befreiung, Wiesbaden am 1. November 1947.

[14] UAMar, Best. 310 Nr. 6511b: Beschluss des Hessischen Staatsministeriums, Der Minister für politische Befreiung vom 7. Februar 1948.

[15] Vgl. ebd.