Volk, Mensch und Ding. Erkenntniskritische Untersuchungen zur volkskundlichen Begriffsbildung

In seiner 1936 vom Königsberger Universitätsbund herausgegebenen Habilitationsschrift begibt sich Heinrich Harmjanz auf einen Streifzug durch die deutsche Volkskunde. Er stellt dar, was ihre Voraussetzungen sind, wie sich die Volkskunde von der Völkerkunde abgrenzen lässt und spricht sich für einen „Nurvolkskundler“ (S. 7) aus, der die Volkskunde nicht nur als Nebenbeschäftigung betreibt. Er folgt seinem Frankfurter Kollegen Julius Schwietering in der Einschätzung, dass die Mittel der Völkerkunde sich nicht in der Volkskunde einsetzen lassen (S. 34f.) und schreibt über die Unterschiede zwischen dem deutschen Volk und den diversen „Naturvölkern“, zum Beispiel hinsichtlich der Wahrnehmung von mystischen Begebenheiten (S. 30).
Das Bemerkenswerte an der Arbeit ist jedoch vor allem die Rolle, die sie im Hinblick auf Harmjanz‘ Laufbahn spielte: 1943 war sie nach langen Konflikten mit dem „Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg“ der Stolperstein, der seine politische und akademische Karriere beendete. Das Ehrengericht der SS führte ein Verfahren gegen Harmjanz, in dem es feststellte, dass dieser in seiner Habilitationsschrift Arbeiten des jüdischen Soziologen Wilhelm Jerusalem als seine eigenen ausgegeben habe. Das SD-Hauptamt wies daraufhin nach, dass auch Harmjanz‘ Antrittsvorlesung sowie mehrere Aufsätze Plagiate gewesen seien. Vor dem Hintergrund des Plagiatsvorwurfs fällt auf, dass Harmjanz wiederholt auch den französischen Ethnologen Lucien Lévy-Bruhl zitiert, der ebenfalls Jude war. Der Nachweis des Plagiats hatte die Beurlaubung aus dem Reichserziehungsministerium und den Ausschluss aus der SS zur Folge. Außerdem führte der Skandal Harmjanz vor ein Parteigericht der NSDAP und bedeutete (auch wegen des Verlangens des Gauleiters von Hessen-Nassau) das Ende seiner Laufbahn an der Frankfurter Universität.

 

 

Niklas Horlebein