Hermann Gumbels akademische Laufbahn und seine Karriere

Viele Informationen sind es nicht mehr, die man über Hermann Gumbel erhalten kann und den wenigsten Literaturwissenschaftlern dürfte der studierte Germanist und Kunstwissenschaftler heute noch ein Begriff sein. [1] Seine Forschungsschwerpunkte erscheinen uns heute eher fremd, orientieren sie sich doch stark an den gängigen Themen der NS-Zeit. Zu beachten ist dabei, dass die Geisteswissenschaften im Dritten Reich unter einem enormen Rechtfertigungsdruck standen, „[d]enn während es relativ nahe lag, welchen Beitrag beispielsweise die naturwissenschaftlichen Fächer […] bei der Kriegsvorbereitung [oder] Kriegsführung selbst leisten konnten“, mussten die Geisteswissenschaftler den von ihnen zu leistenden Anteil erst einmal ausfindig machen. [2] Bald schon begann man damit zu argumentieren, dass der „totale Krieg […] nicht nur eine militärische, sondern  zugleich eine geistig-kulturelle Auseinandersetzung größten Maßes“ sei, und erforschte daraufhin Themen, die der nationalsozialistischen Ideologie entsprachen. [3] Die Möglichkeit, sich anderer Themen zuzuwenden und sich so nicht an einer nationalsozialistischen Germanistik zu beteiligen, blieb allerdings „den bereits etablierten Germanisten vorbehalten“, und so war man, wollte man trotz der politischen Umstände eine wissenschaftliche Karriere einschlagen, dazu gezwungen, sich der aktuellen Themen der Literaturwissenschaft anzunehmen. [4]

 

Eine kurze wissenschaftliche Laufbahn

 

Gumbel studierte vom Sommersemester 1920 bis zum Sommersemester 1924 Germanistik und Kunstgeschichte an der Universität seiner Geburtsstadt Frankfurt am Main. Im Jahr seines Abschlusses nahm er die Arbeit zu seiner Promotion mit dem Thema „Über Grundlagen literarischer Stilkritik erläutert an den Prosawerken Ricarda Huchs“ auf, wobei er gleichzeitig bis 1928 eine Assistentenstelle an der Universität Frankfurt inne hatte. Seine Habilitationsarbeit schloss er im Jahr 1928 zu dem Themal „Deutsche Sonderrenaissance in deutscher Prosa. Strukturanalyse deutscher Prosa im sechzehnten Jahrhundert“ ab. [5] Von 1928 bis 1935 war er dann  Privatdozent für Neuere deutsche Literaturgeschichte an der Universität Frankfurt, ehe er dort 1935 zum nichtbeamteten außerordentlichen Professor ernannt wurde. Nachdem er im Wintersemester 1938/39 Arthur Witt in Jena vertreten hatte, erhielt er 1940 schließlich den Ruf zum ordentlichen Professor für Neuere deutsche Literaturgeschichte der Universität Königsberg. Am Höhepunkt seiner wissenschaftlichen Karriere angekommen, starb er „durch eine kurze, heftige Krankheit“, wie es dazu in einem Nachruf über ihn heißt, im Alter von vierzig Jahren. [6] Die in Frankfurt am Main angelegte Personalakte Gumbels ist wie seinerzeit üblich im Zuge seines Wechsels an die Universität Königsberg gelangt; da ihr Verbleib unbekannt ist, sind die Informationen zur Person Hermann Gumbels heute nur noch lückenhaft zu erhalten.

 

Victoria Pluschke

 

 


[1] Vgl.  Red., [Art.] Gumbel, Hermann. In: Internationales Germanistenlexikon. 1800–1950. Hrsg. von Christoph König, bearb. von Birgit Wägenbaur, Bd. 1. Berlin, New York 2003, S. 637–638.

[2] Christa Hempel-Küter, Germanistik zwischen 1925 und 1955. Studien zur Welt der Wissenschaft am Beispiel von Hans Pyritz. Berlin 2000, S. 37.

[3] Ebd.

[4] Ebd., S. 36.

[5] Diese Habilitationsschrift wurde von Walter Benjamin rezensiert, der dazu resümierend und wohl nicht ohne Spott schrieb: „Damit ist der Verfasser einer Forschungsart treu geblieben, die, wie er eingangs erklärt, ,in notwendig ganz langsamer und zäher Arbeit an den kleinsten, unwesentlichsten Außenseiten ansetzt und von ihnen aus mühsam das Ganze aufdröselt’. Diesen Charakter der Mühseligkeit verleugnet die eindringliche und behutsame Studie freilich nicht immer. Vielleicht kommt mancher Leser in die Lage, sich zu fragen, ob die asketische Bescheidung des Verfassers nicht ihren besten Lohn noch ausstehen und von einer Fortsetzung zu erwarten habe, die bestimmt ist, diesen Bestandsaufnahmen ihre innere geschichtliche Bedeutung zuzuordnen.“ Walter Benjamin [Rez. zu]: Hermann Gumbel, Deutsche Sonderrenaissance in deutscher Prosa. Strukturanalyse deutscher Prosa im sechzehnten Jahrhundert. Wiederabgedruckt in: ders., Gesammelte Schriften. Bd 3: Kritiken und Rezensionen. Hrsg. v. Hella Tiedemann-Bartels. Frankfurt a. M. 1972, S. 377.

[6] Christian Hallier, Hermann Gumbel zum Gedächtnis. In: Dichtung und Volkstum 41 (1941), S. 267.