Brinkmanns Weg zurück an die Universität

Die Zeit nach seiner Rückkehr aus Agram bezeichnet Brinkmann als ein Wüstendasein. Nachdem die Philolosophische Fakultät der Frankfurter Universität Hennig Brinkmanns Wiedereinstellung widerspricht, zieht er nach Lippstadt zu seinem Schwiegervater, wo seine Familie zuvor schon untergekommen war. Dort verdient er Geld mit Lateinunterricht an verschiedenen Mädchenschulen, jedoch sehnt er sich nach der akademischen Arbeit und ist mit der veränderten Lebenssituation, die noch durch Krankheitsfälle des Schwiegervaters und der ältesten Tochter erschwert wird, überfordert. „Wie soll ich diese Verantwortung tragen in einer Lage, die meine einzige Kraft, die Fähigkeit zu wissenschaftlicher Arbeit, zur Unfruchtbarkeit verurteilt?“. [1]

Er selbst gibt zu, sich „einmal verhängnisvoll geirrt“ [2] zu haben, streitet jedoch jeden Kontakt mit nationalsozialistischen Funktionären ab. Die Gerüchte, die zu dieser Zeit in der Frankfurter Fakultät kursieren, weist er als falsch zurück. Hierzu existieren verschiedene Briefwechsel zwischen den Professoren Werner Richter, Helmut Ritter, Harald Patzer und Karl Reinhardt. Aus diesen Briefen geht hervor, dass Brinkmann sich im universitären Kontext antisemitisch geäußert haben soll und dass er es bedauert habe, an der Reichspogromnacht nicht teilgenommen zu haben. Weiterhin soll er sich unkollegial aus Gründen des Parteiinteresses verhalten haben. Patzer schreibt 1953 in einem Brief an den Münchner Dekan der Philosophischen Fakultät: „Herr Brinkmann hat sich während der Zeit seiner Zugehörigkeit zum Frankfurter Lehrkörper (1.10.1938 -1945) nicht nur in seiner Gesinnung mit großer Entschiedenheit zum Nationalsozialismus bekannt, sondern auch seine akademische Lehrtätigkeit aufs stärkste davon beeinflussen lassen.“ [3]

Zu einer Aussprache ist Brinkmann nicht bereit, er weist alle Vorwürfe von sich und bemüht einen Anwalt, um seine Wiedereinstellung zu erwirken. Denn von dem Entnazifizierungsausschuss des Kreises Lippstadt wurde Hennig Brinkmann am 19. Juli 1947 ein Entlastungszeugnis ausgestellt, wodurch er als entnazifiziert gilt. Dem Gesetz nach darf Brinkmann wieder an einer Universität lehren, doch die Universität Frankfurt hat aus den erwähnten Gründen kein Interesse an ihm. Die Gesetzeslage erlaubt diese Verweigerung wegen Bedenken politischer Art. Es besteht zwar eine Unterhaltungs- und Versorgungspflicht durch die Universität Frankfurt, jedoch keine Pflicht zur Wiedereinstellung. In einer offiziellen Stellungnahme des Dekans an den Hessischen Minister für Erziehung und Bildung heißt es, dass die Fakultät einstimmig der Meinung sei, Brinkmann nicht auf die Liste der Neubesetzung des Lehrstuhls für Deutsche Philologie zu setzen. Trotz der formalen Entlastung mache Brinkmanns Verhalten während der Zeit des Nationalsozialismus ein Zusammenleben und -arbeiten unmöglich.

Die Hoffnung auf eine Wiedereinstellung in Frankfurt ist für Brinkmann somit vergebens. Er betätigt sich einige Jahre als Privatgelehrter und Gymnasiallehrer, 1956 wird er in Düsseldorf zum Studienrat ernannt und bereits ein Jahr später findet Brinkmann seinen Weg zurück an eine andere Universität. Die Universität Münster stellt ihn als außerordentlichen Professor für Lateinische Dichtung des Mittelalters ein. Die Lehre in der Germanistik bleibt ihm zwar verwehrt, jedoch steigt er im Gebiet der lateinischen Philologie wenige Jahre später zum ordentlichen Professor auf und wird im Alter noch für seine wissenschaftlichen Leistungen geehrt.

 

Sarah Ebert

 

 


[1] Brief an Karl Reinhardt, UAF, Personalakte Brinkmann, Blatt 30.

[2] Ebd., Blatt 31.

[3] Ebd., Blatt 35